Das Schreiben ist im Namen von 1700 Schweizer Historikerinnen und Historikern verfasst. Sie fordern Finanzministerin Karin Keller-Sutter zum Handeln auf. 

Das Problem: Historische Forschung zum Schweizer Finanzplatz sei praktisch nicht mehr möglich. Das sei «nicht hinnehmbar» in Anbetracht von dessen «Bedeutung für die Geschichte unseres Landes». 

So steht es im Schreiben der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte vom 5. Januar. Schweizer Banken verwehrten unter Hinweis auf das Bankgeheimnis «häufig den Zugang zu ihren Archiven, weshalb eine quellenfundierte, sachliche Erforschung des Schweizer Bankenwesens kaum mehr möglich ist», heisst es darin. 

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Der Auslöser für das Schreiben war ein abgelehntes Einsichtsgesuch an die Grossbank UBS. Ein Forscher wollte historische Dokumente im UBS-Archiv einsehen, die ein anderer Forscher vor rund 20 Jahren bereits einmal hatte einsehen dürfen. Doch die UBS lehnte das Gesuch mit Verweis auf das Bankgeheimnis ab. 

UBS erlaubt keine weitere Akteneinsicht

Der Hintergrund: Die Bank liess vor rund 20 Jahren Forschende in ihr Archiv, weil der öffentliche Druck riesig war. Damals konnten Mitglieder der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission) Bankakten einsehen. Der Bund hatte Privatfirmen wie die UBS verpflichtet, der Kommission Akteneinsicht zu gewähren.

Doch nun stellt sich die Bank auf den Standpunkt, dass es das war. Niemand soll im UBS-Archiv die Dokumente der Bergier-Kommission erneut einsehen können, obwohl die Kommission deren Inhalte bereits publik gemacht hat.

Andere Bankdokumente im UBS-Archiv bleiben für die Forscher ebenfalls gesperrt, selbst wenn sie schon 100 Jahre alt sind. Bei der UBS sagt man dazu: «Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zum Schutze des Bankkundengeheimnisses ist es Schweizer Banken nicht erlaubt, Einsicht in nicht öffentliche Dokumente zu gewähren.»

Seltsame Argumentation

Die Gesellschaft für Geschichte findet diese Argumentation seltsam. Sie gelangte deshalb bereits vor neun Monaten an die UBS. Das Schreiben an den UBS-Firmenhistoriker Christian Leitz liegt dem Beobachter vor.

Darin heisst es: Wenn einmal zugängliche Quellen von niemandem mehr eingesehen werden könnten, werde «das in der Wissenschaft zentrale Prinzip der Überprüfbarkeit verunmöglicht». Und weiter: «Die meisten anderen Privatarchive (auch solche von anderen Schweizer Banken)» würden den Forschenden Zugang zu Akten gewähren, die die Bergier-Kommission damals verwendet habe. Wenn auch unter Auflagen wie etwa der Anonymisierung von Personendaten.

Die Antwort der UBS war Schweigen. Die Historiker haben nie eine Rückmeldung auf den Brief an die UBS erhalten. Der Präsident der Gesellschaft für Geschichte ist Professor Sacha Zala. Er sagt dem Beobachter: «Die UBS ist too big to fail und wurde vom Staat gerettet. Da erstaunt mich diese Haltung.» 

«Zentraler Forschungsprozess wird verhindert»

Das Verhalten der UBS hat auch im Parlament zu reden gegeben. «Es ist ein Problem, wenn Forschungsergebnisse nicht mehr überprüft werden können», sagt Nationalrätin Nadine Masshardt. Sie ist Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Geschichte, die sich mit solchen Themen befasst.

Masshardt kritisiert den heutigen Umgang mit den Ergebnissen der Bergier-Kommission. Diese habe im Auftrag der Eidgenossenschaft die finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz mit Nazideutschland erforscht.

Zur Schweiz im Zweiten Weltkrieg gebe es immer wieder neue Interpretationen und Ergebnisse, weil weitere Quellen dazukämen und alte neu interpretiert würden. «Mit der Weigerung der UBS, die damals konsultierten Akten – selbst in anonymisierter Form – jetzt der Wissenschaft zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen, wird ein Prozess verhindert, der für die Forschung zentral ist.» 

Fehlende Aktenaufbewahrungspflicht ist ein Hindernis

Der Knackpunkt sei das gesetzlich verankerte Bankgeheimnis, sagt Sacha Zala. Dieses will die zuständige Parlamentskommission derzeit sowieso neu definieren. Präsident Zala hofft, dass dabei auch die Anliegen der Historiker berücksichtigt werden. Und dass es im Gesetz über das Bankgeheimnis künftig eine Ausnahmeklausel für historische Forschung gibt. Kein Bankmitarbeiter soll mehr eine Strafe befürchten müssen, wenn er einer Historikerin Zugang zu anonymisierten Bankdokumenten gibt, die schon 80 Jahre alt sind.

Die historische Forschung über Schweizer Unternehmen sei schon so schwer genug, sagt Sacha Zala. Ein Hindernis ist die fehlende Aktenaufbewahrungspflicht.

Selbst Traditionsunternehmen wie Credit Suisse, Nestlé oder Zurich dürften historisch wertvolle Akten bereits nach einer Frist von 10 bis 20 Jahren vernichten, wenn sie wollten. Niemand könne sie daran hindern. «Es ist sehr bedauerlich, dass grosse Firmen, die für die Geschichte des Landes sehr viel geleistet haben, keine Pflicht zur Archivierung haben», sagt Zala. «Wir würden eine Archivierungspflicht für solch wichtige Unternehmen begrüssen.»

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